Tipps für Eltern von Schülerinnen und Schülern



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Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.
Arabisches Sprichwort

Im Allgemeinen werden Kinder frühestens im Alter von fünf Jahren mit ersten Leseerfahrungen konfrontiert, meist in ihrem letzten Jahr im Kindergarten, aber oft auch erst mit Beginn der Schulzeit, also mit sechs bis sieben Jahren. Kinder besitzen allerdings schon vor dem Vorschulalter ein gewisses Verständnis davon, dass geschriebene Wörter anders als etwa Zeichnungen spezifische Ausdrücke repräsentieren, sodass das Wissen von kleinen Kindern über den Sinn des geschriebenen Worts oft schon hoch entwickelt ist. Vermutlich sind es Eltern, die mit ihren Kindern auf eine andere Weise über Zeichnungen als über Texte oder schriftliche Unterlagen sprechen, d. h., sie zeigen ihren Kindern im Alltag, dass Schrift etwas Besonderes ist.

Sprechen zu lernen ist eine der zentralen Lernleistungen, die Kleinkinder bzw. Kinder zustande bringen müssen, und sie tun das in rasanter Geschwindigkeit. Dabei lernen Kinder das Verstehen noch vor dem Sprechen, wobei ein zweijähriges Kind normalerweise bereits etwa 500 Wörter verstehen kann, auch wenn es noch in Zwei-Wort-Sätzen spricht. Eine Vielzahl von Studien bestätigt den starken Einfluss des Sprachverhaltens von Eltern auf die kindliche Sprachentwicklung, denn es kommt stets auf die Familie an, auf das gemeinsame Spielen und das Vorlesen von Bilderbücher. Eine Studie (Vorlesestudie 2018 der deutschen Stiftung Lesen) hat gezeigt, dass Eltern mit regelmäßigem Vorlesen ihren Kindern das Lesenlernen deutlich erleichtern können. Dabei zeigte sich, dass vier von fünf Kindern, denen mehrmals in der Woche oder auch täglich vorgelesen wurde, das Lesenlernen später in der Schule leichter fällt, während bei jenen Kindern, die diese Erfahrung selten bzw. nie gemacht haben, nur 50 Prozent das Lesenlernen ohne Probleme bewältigen. Hinzu kommt, dass Kindern, denen nie vorgelesen wurde, auch sehr ungeduldig und genervt auf das Lesenlernen reagieren und dieses als sehr anstrengend empfinden. Jedes zweite Kind ohne Vorleseerfahrung hat nämlich gedacht, dass Lesenlernen schneller geht, während Kindern, die täglich Märchen und Geschichten gehört haben oder hören, das nur zu einem Viertel behaupten. Eine Konsequenz wäre daher, dass bei einem Ausfall der Eltern etwa aus bildungsfernen Schichten Kinder an jeder Schule auch Leseangebote für ihre Freizeit finden können.

Die Methode Lesen durch Schreiben wurde in den 1970er Jahren von Jürgen Reichen für den muttersprachlichen Primarschulbereich entwickelt und ist als Gegenentwurf zur Fibelmethode zu betrachten. Wurde bei der Fibelmethode insbesondere die Vermittlung der einzelnen Buchstaben im Hinblick auf das schrittweise Lesenlernen favorisiert, aus dem sich dann der Schrifterwerb entwickeln sollte, geht diese Methode den umgekehrten Weg. Die Schüler sollen primär befähigt werden, jedes beliebige Wort in seine Lautkomponenten zu zerlegen und sie phonetisch vollständig aufzuschreiben, wobei orthographische Korrektheit zunächst nicht im Vordergrund steht. Im Gegensatz zum herkömmlichen Fibelunterricht sind die Kinder demnach von Beginn an in der Lage, Wörter und auch Sätze aufzuschreiben, wobei als zentrales Hilfsmittel dabei eine Anlaut- oder auch Buchstabentabelle dient. Nach Reichen soll sich aus der Fähigkeit zu schreiben die Fähigkeit zum Lesen ohne ein direktes Lehren entwickeln.

Ellen Aschermann (Universität zu Köln) sagt in einem Interview, dass 90 Prozent aller Kinder relativ unabhängig von der benutzten Methode innerhalb von zwei Jahren lesen lernen. Dabei sind drei zentrale Faktoren für das Lesen- und Schreibenlernen wichtig sind:

Die phonologische Bewusstheit, also die Kompetenz, Laute zu erkennen, zu unterscheiden und zu analysieren, doch auch das allgemeine Sprachverständnis - Wortschatz, Satzbau - ist fürs Lesenlernen wichtig, denn je ausgeprägter das Sprachverständnis ist, desto leichter fällt es Kindern, den Begriff einer Sache oder einer Handlung nachzuvollziehen. Lesenlernen hat auch viel mit Wiederholungen und kleinen Variationen zu tun, die zur Automatisierung führen, denn Automatisierung entlastet das Arbeitsgedächtnis. Unabhängig von der Leselern-Methode sind es diese drei Faktoren, die den Lernprozess erleichtern oder behindern können. Kinder, die wenig Erfahrung mit Sprache, Rhythmus und Lautlichkeit haben, werden sich bei Methoden, die primär auf selbstständigem Entdecken der Regeln beruhen, schwerer tun. Im Deutschen sind d und t oder g und k oft schwer zu unterscheiden, d.h., Kinder müssen lernen, dass Wörter aus Silben und Silben aus Lauten aufgebaut sind und Wörter manchmal anders klingen als sie geschrieben werden. Das kann Kinder, deren phonologische Bewusstheit gering ist, überfordern, sie können schlechter Reime bilden oder Silben klatschen und kommen mit einer Methode, die das schon voraussetzt, nicht zurecht.

Nach Aschermann funktionieren analytisch-synthetische Methoden, wie Fibellehrgänge und Erkennwörter, die relativ weit verbreitet sind ganz gut. Zudem wird mit Anlauttabellen aus Buchstaben und Bildern gearbeitet, was eine sehr freie Methode ist, die den produktiven Aspekt des Schreibens herausstellt, d.h., Kinder finden über den Klang eines Wortes heraus, welche Buchstaben zum Schreiben eines Wortes erforderlich sind. Allerdings erleichtert das Schreiben nach Hören nicht die orthografische Regelerkennung, zumal Buchstaben im Wort oft anders klingen, als am Anfang.

Die Fibelmethode hingegen ist systematisch aufgebaut und arbeitet mit sehr eindeutigen Laut-Buchstaben-Verbindungen, wobei aber manche Kinder, wenn sie eine Geschichte schreiben wollen, eine Diskrepanz erleben zwischen dem, was sie ausdrücken können, und dem, was sie wollen. Wenn Kinder aber einmal etwas falsch gelernt haben, ist es schwierig, dies umzulernen, denn eine Automatisierung findet immer statt, wenn man etwas häufiger macht, gleichgültig ob es "richtig" oder "falsch" ist. Eltern können die phonologische Bewusstheit durch Sprachspiele zu üben, etwa durch Reime wie "Hoppe, hoppe, Reiter", die ergänzt werden, und Silbentrennung wie "Ka-ta-ri-na". Es ist auch sinnvoll zu sagen: "Guck mal, ich schreibe das so". Man sollte auch nicht alles auf einmal verbessern, sondern viel stärker auf die Wörter achten, die das Kind schon richtig schreibt. Und dann: lesen, vorlesen, reden, mit Sprache spielen, das sind ganz wichtige Übungsmöglichkeiten auch in der Grundschule.

Studienergebnisse weisen jedoch klar darauf hin, dass alle Kinder gleichermaßen vom Einsatz einer Fibel im Unterricht profitieren, wobei sich die Überlegenheit des Fibelansatzes sowohl bei Kindern mit deutscher Muttersprache als auch mit anderen früh erlernten Sprachen zeigt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Fibel-Lernen regelgeleitet ist, strukturiert aufeinander aufbaut und auf Übungsphasen setzt (Stangl, 2018).

Manche Experten sind auch der Ansicht, dass man beim Lesenlernen auch die Frage nach der Arbeitsteilung der beiden Gehirnhälften berücksichtigen sollte. Seit Jahrzehnten konkurrieren bekanntlich die "ganzheitliche" Methode, bei der die SchülerInnen die Wörter im Ganzen erfassen sollen, und die synthetische Methode, bei der sie sich Buchstabe für Buchstabe erarbeiten. Vermutlich liegt die ganzheitliche Methode eher jenen SchülerInnen, in deren Denken die rechte Hemisphäre dominiert, während die synthetische Methode eher den SchülerInnen mit einer dominanten linken Hemisphäre entspricht, sodass man im Leseunterricht beide Methoden verwenden und sie jedem Schüler individuell anpassen sollte.

Frühes Lesen in der Kindheit

Es ist bekannt, dass die Kindheit ein entscheidender Zeitraum für die neurologische Entwicklung ist. Sun et al. (2023) untersuchten nun, ob das Lesen zum Vergnügen in der Kindheit mit Bewertungen der kognitiven und psychischen Gesundheit sowie der Gehirnstruktur im Jugendalter zusammenhängt. Sie führten eine Quer- und Längsschnittstudie in einer großen nationalen US-Kohorte durch und verwendeten dabei etablierte lineare gemischte Modelle und Strukturgleichungsmethoden für Zwillingsstudien, Längsschnitt- und Mediationsanalysen. Für mögliche Kausalschlüsse wurde auch eine Randomisierungsanalyse durchgeführt, wobei Faktoren wie der sozioökonomische Status kontrolliert wurden. Es zeigte sich, dass Jugendliche, die früh mit dem Lesen begannen, auch außerhalb der Schule, bei kognitiven Tests tendenziell besser abschnitten, wobei ein starker Zusammenhang zwischen dem Lesen in der Kindheit und guten Ergebnissen bei Tests wie Gedächtnis und Sprachentwicklung im Jugendalter bestand. Jugendliche, die in der Kindheit früh und häufig zum Vergnügen gelesen haben, zeigten auch vergleichsweise bessere schulische Leistungen und eine höhere Aufmerksamkeit. Zwölf Stunden pro Woche gelten als optimaler Umfang des Lesens in der Kindheit, denn mehr als zwölf Stunden Lesen pro Woche führte zu einem allmählichen Rückgang der kognitiven Fähigkeiten, was darauf zurückzuführen sein könnte, dass Kinder weniger Zeit für andere kognitiv bereichernde Aktivitäten wie Sport und soziale Aktivitäten aufwenden. Frühes Lesen zum Vergnügen wurde im Längsschnitt auch mit einer höheren kognitiven Leistungsfähigkeit und geringeren Aufmerksamkeitssymptomen bei der Nachuntersuchung in Verbindung gebracht, wobei etwa zwölf Stunden Lesen pro Woche für Jugendliche kognitiv optimal sind. Laut der Studie hatten Vielleser auch eine durchschnittlich bessere psychische Gesundheit. Dies wurde anhand einer Reihe von klinischen Messungen und Berichten von Eltern und Lehrern festgestellt. Diese Jugendlichen zeigten auch weniger Anzeichen von Stress, Depression und Aggression.


Empfehlung

Lesen lernen VorträgeDaniela Dorfmayr, Logopädin und Autorin, bietet Vorträge zu den Themen „Erstes Lesen“ und „Kindliche Sprachentwicklung“ an, die von ihr online oder in Präsenz abgehalten werden und zwischen 90 und 120 Minuten dauern. Nach jedem Vortrag besitzen die Teilnehmer und Teilnehmerinnen einen Ideenkoffer mit unterschiedlichsten Erstlese- oder Sprachfördertipps, die noch am gleichen Tag Zuhause spielerisch eingesetzt werden können.
Ihre Zielgruppe sind neben Eltern auch Angehörige, Pädagogen und Pädagoginnen von Kindern mit und ohne Sprachentwicklungsverzögerung in Krabbelstuben, Kindergärten, Vorschulen oder ersten Klassen.
Link: https://www.sprechrezepte.at/vorträge


Wie können Sie die Lesegeschwindigkeit Ihres Kindes fördern?

Als Faustregel für die Lesegeschwindigkeit eines Kindes gilt, dass es bis zur Hälfte der ersten Klasse durchschnittlich zwischen 25 und 40 Wörter pro Minute vorlesen können sollte, bis zur Hälfte der zweiten Klasse zwischen 60 und 85 Wörter pro Minute und bis zur Hälfte der dritten Klasse etwa 105 bis 120 Wörter pro Minute. Im Laufe der vierten Klasse sollte die Schwelle von 140, besser 150 Wörtern pro Minute erreicht werden. Erst bei dieser Geschwindigkeit ist das Lesen ausreichend automatisiert, um den Text inhaltlich richtig verstehen zu können.

Manche Kinder haben Schwierigkeiten mit dem Leseerwerb, und die Eltern sollten besonders darauf achten, sie nicht unnötig zu frustrieren und darauf zu achten, dass die Texte nicht zu schwierig sind, dass der Text leicht vergrößert ist und einen ausreichenden Zeilenabstand hat und dass die Wörter gegebenenfalls durch Farben in Silben unterteilt sind. Das Lesen sollte auf 10 bis 15 Minuten pro Tag begrenzt werden, und es sollte darauf geachtet werden, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, wobei die Zeit vor dem Schlafengehen eine gute Gelegenheit ist, um mit dem Kind in einer ruhigen und angenehmen Umgebung zu lesen.

Wichtig ist auch, dass den Kindern ein Modell für flüssiges Lesen gegeben wird, d.h. dass ihnen jemand eine Passage vorliest, die sie dann selbst noch einmal lesen. dass vertraute Texte mindestens dreimal hintereinander gelesen werden, bis eine gewisse Geläufigkeit erreicht ist, worauf sie eine sofortige Rückmeldung erhalten, indem ihnen das richtige Wort sofort laut gesagt wird, wenn sie es falsch gelesen haben. Wichtig ist auch, dass die Kinder Übungstexte erhalten, bei denen sie die Mehrzahl der Wörter richtig lesen können. Das Niveau der Lesetexte ist optimal, wenn das Kind weniger als fünf Lesefehler (Verwechseln von Buchstaben, Auslassen von Buchstaben usw.) pro Minute macht. Ist die Zahl der Fehler höher, sollten leichtere Texte gewählt werden.

Um die Motivation des Kindes zu fördern, können Sie bei den Leseübungen abwechselnd laut vorlesen und das Kind mit der Zeit immer größere Abschnitte lesen lassen. Wenn Ihr Kind noch sehr langsam und mühsam liest, ist es sinnvoll, dass die Eltern den Abschnitt, den das Kind gelesen hat, laut vorlesen, damit das Kind den Inhalt versteht und der Geschichte weiter folgen kann.

Psychologische Aspekte

Zwar macht es vorliegenden Schuluntersuchungen zufolge keinen großen Unterschied, welche Lernmethode beim Lesenlernen angewendet wird, denn Ende der vierten Klasse haben sich alle Unterschiede mehr oder minder nivelliert, aber aus psychologischer Sicht ist es doch eher fragwürdig, denn für viele Kinder ist es dann schwer nachzuvollziehen, warum es plötzlich doch Rechtschreibregeln gibt. Das ist ein erhöhter Lernaufwand und den Kindern nur schwer zu vermitteln, sodass aus dieser Perspektive eher weniger Vorteile bei einer Methode liegen, die den Kindern am Anfang zwar viel Freiheit gibt, aber diese Freiheit später notwendigerweise wieder einschränkt. Die Schwierigkeit für die LehrerInnen liegt auch darin, in einer leistungsinhomogenen Klasse den Übergang vom freien zum regelkonformen Schreiben hinzubekommen, denn spätestens im zweiten Schuljahr muss begonnen werden, orthografische Prinzipien zu vermitteln.


Ellen Aschermann ist Professorin für Pädagogische Psychologie im Department Psychologie der Universität zu Köln.

Literatur

Stangl, W. (2018). Fibel führt zu besseren Rechtschreibleistungen als andere Methoden. Werner Stangls Pädagogik News.
WWW: https://paedagogik-news.stangl.eu/fibel-fuehrt-zu-besseren-rechtschreibleistungen-als-andere-methoden/
(2018-10-30).

Stangl, W. (2023, 29. Juni). Frühes Lesen in der Kindheit. Stangl notiert ….
https://notiert.stangl-taller.at/forschung/fruehes-lesen-in-der-kindheit/.
Stangl, W. (2019, 13. Oktober). Wie kann ich die Lesegeschwindigkeit meines Kindes fördern? Lerntipps: Die Neuigkeiten.
https://lerntipps.lerntipp.at/wie-kann-ich-die-lesegeschwindigkeit-meines-kindes-foerdern.
Stangl, W. (2014, 13. Juni). Wie kann man seine Lesegeschwindigkeit erhöhen? News zum Thema Lernen.
https://news.lerntipp.at/wie-kann-man-seine-lesegeschwindigkeit-erhoehen/
Stangl, W. (2014, 13. Juni). Faktoren, die die Geschwindigkeit des Lesens beeinflussen. News zum Thema Lernen.
https://news.lerntipp.at/faktoren-die-die-geschwindigkeit-des-lesens-beeinflussen/.

Sun, Yun-Jun, Sahakian, Barbara J., Langley, Christelle, Yang, Anyi, Jiang, Yuchao, Kang, Jujiao, Zhao, Xingming, Li, Chunhe, Cheng, Wei & Feng, Jianfeng (2023). Early-initiated childhood reading for pleasure: associations with better cognitive performance, mental well-being and brain structure in young adolescence. Psychological Medicine, 1-15, doi:10.1017/S0033291723001381.

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Weitere Quellen

Interview mit ellen Aschermann im Generalanzeiger Bonn
WWW: http://www.general-anzeiger-bonn.de/index.php?k=news&itemid=10028&detailid=782498 (10-09-07)
http://herder.philol.uni-leipzig.de/projekte/alpha/frames/main5.3.htm (14.08-11)


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